Finanzmarktkolumne – Geldpolitik bleibt Hauptstütze für die Börsen

6. Juni 2016

 

Die europäischen Aktienindizes schwächelten in der vergangenen Woche, nachdem sie zuvor kräftig angezogen hatten. Dagegen tendierte der US-Aktienmarkt seitwärts. Die Kursentwicklung vollzog sich vor dem Hintergrund durchwachsener Konjunkturdaten, einem festeren Euro, wieder zunehmender Brexit-Ängste und eines sich nur wenig bewegenden Ölpreises.

Der DAX fiel nach einem Wochenhöchststand von 10.365 Punkten auf rund 10.100 Punkte zurück, die implizite Volatilität stieg gemessen am VDAX-NEW im Wochenverlauf von 20 auf gut 22 Punkte. Damit befindet sich der Volatilitätsindex, der als Unsicherheitsmaß interpretiert werden kann, weiter auf gemäßigtem Niveau. Gut möglich, dass die implizite Volatilität mit dem näher rückenden Brexit-Referendum am 23. Juni ansteigt.

 

Brexit-Anhänger bei Umfragen vorne

Aktuelle Erhebungen zum möglichen EU-Austritt Großbritanniens sorgten vergangene Woche für Nervosität an den Märkten. Zwei ICM-Umfragen – eine online, eine per Telefon – signalisierten einen leichten Vorsprung der Brexit-Befürworter. Dabei verunsicherte Marktteilnehmer vor allem, dass auch bei der Telefonumfrage die Anhänger eines EU-Austritts in Front lagen. Denn zuvor hatten Telefonumfragen einen klaren Vorsprung der In-Anhänger angezeigt. So betrug deren Vorsprung bei der ICM-Telefonumfrage Mitte Mai noch zehn Prozentpunkte.

Erneut gemischt fielen die veröffentlichten Konjunkturindikatoren aus. Von ihnen gingen somit keine eindeutigen Impulse aus. Während die US-Konsumausgaben von April mit +1,0 Prozent positiv überraschten (Konsens: +0,7 Prozent), entwickelten sich der Chicago-Einkaufsmanagerindex und der US-Verbraucherpreisindex des Conference Board rückläufig und blieben zum Teil deutlich hinter den Erwartungen der Analysten zurück.

 

Konjunktur-Frühindikatoren tendieren seitwärts

Die Entwicklung der Frühindikatoren bleibt weltweit gesehen mäßig. Bei den endgültigen Einkaufsmanagerindizes (PMI) für die Eurozone und die USA wurden die vorläufigen Mai-Werte bestätigt bzw. leicht nach oben revidiert. Damit ergibt sich für beide Regionen ein leichter Rückgang gegenüber dem Vormonatswert. In China fiel der Caixin-Manufacturing-PMI auf ein Dreimonatstief von 49,2 Punkten zurück (Vormonat: 49,4).

Mit einem Anstieg von 50,8 auf 51,3 Zähler überraschte der ISM-Index für das Verarbeitende Gewerbe in den USA zwar positiv. Allerdings ergibt sich bei Betrachtung der Einzelkomponenten ein weniger günstiges Bild. So ging die am Markt viel beachtete Auftragseingangskomponente leicht auf 55,7 Punkte zurück (Vormonat: 55,8). Insgesamt sind die Einkaufsmanagerindizes als zentrale Konjunktur-Frühindikatoren von einer Seitwärtsentwicklung geprägt.

 

US-Beschäftigungszahlen enttäuschen

Besonders enttäuschend fielen die Beschäftigungszahlen für die USA aus: Die Zahl der Stellen stieg im Mai lediglich um 38 Tausend, während Volkswirte mit einem Plus von 160 Tausend gerechnet hatten. Trotzdem ist die Arbeitslosenquote um drei Zehntel auf 4,7 Prozent gesunken. Der Streik in der Telekommunikationsindustrie, wegen dem 35 Tausend Personen aus der Beschäftigungsstatistik fielen, hatte die Erwartungen an den Stellenzuwachs im Mai gedämpft. Mit dem geringsten monatlichen Anstieg seit September 2010 wurden sie jedoch noch klar unterboten.

Das bedeutet, dass die US-Beschäftigung zuletzt an Schwung verloren hat, zumal auch die Zuwächse im April und im März nach unten revidiert wurden. Zur Vorsicht mahnt, dass die Schwäche über die Branchen hinweg recht breit angelegt ist und die Zahl der Zeitarbeitskräfte – ein Frühindikator – in vier der letzten fünf Monate gesunken ist.

Auf den ersten Blick positiv überrascht hat dagegen die Arbeitslosenquote mit einem Rückgang von 5,0 auf 4,7 Prozent. Allerdings nahm im gleichen Maß die Zahl der aus ökonomischen Gründen Teilzeitbeschäftigten zu, so dass die am weitesten definierte Arbeitslosenquote bei 9,7 Prozent verharrte. Aus Sicht von Notenbankchefin Janet Yellen hat sich der Arbeitsmarkt daher wohl nicht verbessert. Denn sie hat diesen Indikator häufig als Beispiel für eine noch bestehende Unterauslastung des Jobmarktes angeführt.

 

Wohl keine Fed-Zinserhöhung im Juni

Das heißt: Die Fed wird den Leitzins wohl kaum schon bei ihrer nächsten Zinssitzung am 15. Juni anheben, sondern weitere Daten abwarten. Insgesamt spricht aber wenig dafür, warum die Erholung am Arbeitsmarkt abbrechen sollte, zumal sich Ölpreis und Dollar stabilisiert haben und von der Weltwirtschaft keine neuen schlechten Nachrichten kamen. Darüber, ob die politische Unsicherheit vor den Präsidentschaftswahlen die US-Unternehmen zur Zurückhaltung veranlasst, kann man allenfalls spekulieren.

Interessant ist die Entwicklung der Geldmenge M1 in der Eurozone. Diese gilt als Frühindikator, weil ihr Verlauf die Konjunkturentwicklung im Euroland häufig besonders früh anzeigt. In den vergangenen Jahren wies diese eine hohe Korrelation mit dem Kurs-Gewinn-Verhältnis am Aktienmarkt auf. In jüngster Zeit hat sich die Dynamik der Geldmenge M1 zunehmend abgeschwächt, wenngleich sie mit +9,7 Prozent gegenüber Vorjahr im April immer noch hoch war. Im Oktober 2015 lag sie sogar noch bei +13,9 Prozent. Dennoch deutet die Abschwächung der Wachstumsraten darauf hin, dass von der Konjunkturentwicklung keine ausreichenden Impulse für wieder deutlich steigende Aktienmarktbewertungen ausgehen.

 

Labiles Umfeld für Aktien

Angesichts der nur verhaltenen Entwicklung der globalen Konjunkturdynamik und der Unternehmensgewinne, politischen Risiken – vor allem vor dem Brexit-Referendum –, nachlassendem Rückenwind von Seiten des Ölpreises sowie der Unsicherheit durch die Normalisierung der Fed-Zinspolitik bleibt das Umfeld an den Aktienmärkten labil. Ungeachtet der Fed-Zinswende bleibt die global weiter sehr expansive Geldpolitik auf mittlere Sicht positiv für Aktien. Das sollte letztlich den Ausschlag für eine Fortsetzung der mittelfristigen Aufwärtsbewegung geben.

Kursstützend wirkt auch die defensive Positionierung der institutionellen Investoren, die Raum für positive Überraschungen lässt. Der Kalender der Konjunkturindikatoren ist diese Woche nicht allzu üppig gefüllt. Auf der Agenda stehen insbesondere harte Konjunkturdaten wie der Auftragseingang der deutschen Industrie (Montag), die deutsche Industrieproduktion  (Dienstag), Frankreich und Italien (Freitag) sowie die Handelsbilanzdaten aus Deutschland (Donnerstag) und China (Mittwoch). Der Markteinfluss des näher rückenden Brexit-Referendums (23. Juni) dürfte tendenziell zunehmen und könnte bei hohen Umfrageanteilen der Brexit-Befürworter kurzfristig zu Turbulenzen führen.

 

Die wichtigsten Konjunkturdaten der neuen Woche

 MonatPrognoseLetzter
Montag, 6.6.2016
Auftragseingang Deutschland (% zum Vormonat)April-0.51.9
Sentix Investorenvertrauen Euroland (Punkte)Juni76.2
Dienstag, 7.6.2016
Industrieproduktion Deutschland (% zum Vorm.)April0.6-1.3
BIP Euroland (% zum Vorquartal)Q10.50.5
Mittwoch, 8.6.2016
BIP Japan (% zum Vorquartal)Q10.50.4
Donnerstag, 9.6.2016
Exporte Deutschland (% zum Vormonat)April-0.91.9
Verbraucherpreise China (% zum Vorjahr)Mai2.32.3
Freitag, 10.6.2016
Verbraucherpreise Deutschland (% zum Vorjahr)Mai0.30.3
Uni Michigan Konsumklima (Punkte)Juni94.594.7
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