Finanzmarktkolumne – Griechisches Sparpaket beruhigt Börsianer

9. Mai 2016

 

Nachdem die europäischen Aktienmärkte vergangene Woche schwächelten, haben starke deutsche Konjunkturdaten Anleger zu Beginn der neuen Woche zum Wiedereinstieg ermuntert. Der DAX überschritt wieder die 10.000-Punkte-Marke, der EuroStoxx50 näherte sich der 3.000-Zähler-Grenze.

Auf Grund einer anziehenden Auslandsnachfrage konnte die deutsche Industrie im März 1,9 Prozent mehr Aufträge hereinholen als im Vormonat. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Analysten hatten lediglich mit einem Anstieg um 0,7 Prozent gerechnet. Rückenwind erhielten die Aktienmärkte zudem von einem schwächeren Euro. Die Gemeinschaftswährung ermäßigte sich um auf knapp 1,14 Dollar, wodurch Waren aus dem Euro-Gebiet auf dem Weltmarkt preislich wettbewerbsfähiger werden.

 

Warten auf neue Finanzhilfen

Darüber hinaus reagierten Börsianer erleichtert auf das neue Sparpaket in Griechenland, das den Weg für neue Hilfszahlungen an Athen freimacht. Nach einer zweitägigen hitzigen Debatte hatte sich die Koalition von Ministerpräsident Alexis Tsipras ausreichend Stimmen gesichert für eine Annahme der umstrittenen Reformpläne, die Rentenkürzungen und Steuererhöhungen umfassen.

Tsipras verfügt im Parlament nur über eine knappe Mehrheit von 153 der 300 Abgeordneten. Alle Abgeordneten der links-geführten Koalition stimmten für das Sparpaket, während die Opposition die Regierung scharf angriff. Vor dem Parlament kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Gegnern des Sparprogramms und der Polizei. Finanzminister Euklid Tsakalotos verteidigte das Vorhaben. Die Rentenreform werde die Reichen und nicht die Armen belasten. Das Programm sieht unter anderem eine nationale Rente in Höhe von 384 Euro pro Monat und eine Erhöhung der sogenannten Solidaritätssteuer vor.

Bei dem anstehenden Treffen mit seinen Euro-Kollegen dürfte der Parlamentsbeschluss dem griechischen Finanzminister den Rücken stärken. Die Minister wollen sich von den Prüf-Institutionen von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) über den Stand der Umsetzung angemahnter Reformen informieren lassen.

 

Umstrittenes Thema Schuldenerleichterungen für Athen

IWF-Chefin Christine Lagarde hatte gefordert, bei der Runde müsse auch über Schuldenerleichterungen gesprochen werden. Eine Sprecherin von Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte jüngst, vor einer Entscheidung über den Umgang mit den griechischen Schulden müsse zunächst die laufende Überprüfung abgeschlossen werden.

Der IWF verlangt zusätzliche Maßnahmen, falls die Regierung in Athen die vereinbarten Haushaltsziele für 2018 zu verfehlen droht. Die griechische Regierung lehnt es jedoch ab, über die bisher geplanten Kürzungen von 5,4 Milliarden Euro hinaus Notfallmaßnahmen in Höhe von 3,6 Milliarden Euro auf Vorrat zu beschließen.

Ein Bestandteil der Einigung von Griechenland mit den internationalen Geldgebern im vergangenen Jahr war, dass das Land bis 2018 einen Primärüberschuss – also ein Budget ohne Zinszahlungen – von 3,5 Prozent erzielt. Der IWF – und mit ihm viele Experten – bezweifeln allerdings, dass dies mit den aktuellen Reformplänen erreichbar ist.

 

China-Ängste flackern wieder auf

Neben Griechenland bleibt China ein zentrales Thema an den Aktienmärkten. Zuletzt dämpften unerwartet schwache Außenhandelsdaten wieder einmal die Hoffnung auf eine konjunkturelle Belebung im Reich der Mitte. Der Rückgang der Exporte im April nährt Befürchtungen, dass die deutliche Erholung im vorangegangenen Monat nur ein Strohfeuer war. Wie die Zollbehörde mitteilte, schrumpften die Ausfuhren im vergangenen Monat um 1,8 Prozent. Ökonomen hatten lediglich ein Minus im Vorjahresvergleich von 0,1 Prozent vorausgesagt. Im März hatte es noch ein überraschendes Wachstum von satten 11,5 Prozent gegeben.

Chinas Inlandsnachfrage präsentierte sich ebenfalls schwach. Denn die Importe in die Volksrepublik fielen im April den 18. Monat in Folge. Die Rate war mit minus 10,9 Prozent mehr als doppelt so hoch wie von Volkswirten geschätzt. Im vergangenen Monat kam China auf einen Handelsüberschuss von 45,56 Milliarden Dollar, gut fünf Milliarden mehr als erwartet.

Nach Ansicht von Analysten bestätigen die aktuellen Zahlen die gedämpften Handelsaktivitäten in Asien und deuten auf ein weiteres schwieriges Jahr für die Märkte in den Schwellenländern hin. Chinas Ausfuhren in die USA brachen im April um 9,3 Prozent ein, die Lieferungen in die EU legten dagegen um 3,2 Prozent zu.

Die Regierung in Peking konstatierte jüngst anhaltenden Gegenwind für die heimische Wirtschaft. Sie will mit staatlichen Investitionen und einer lockeren Geldpolitik für Impulse sorgen. Die Exporte sollen angekurbelt werden durch Anreize für Banken zur Kreditvergabe und Steuernachlässe für eine Reihe von Unternehmen.

 

Fed-Zinserhöhung im Juni wahrscheinlich

Vor dem Hintergrund der Probleme in China hat die amerikanische Notenbank Fed in den vergangenen Wochen zwar die globalen Wachstumsrisiken hervorgehoben. Dennoch haben die Konjunkturängste zuletzt etwas abgenommen. Viele Fed-Watcher erwarten deshalb für dieses Jahr noch zwei weitere kleine Zinsanhebungen (um jeweils 25 Basispunkte) der US-Zentralbank. Plausibel wäre eine Straffung der geldpolitischen Zügel im Juni und im Dezember. Denn eine Zinserhöhung im Juni ist wahrscheinlicher als im September, weil im Spätsommer der US-Präsidentschaftswahlkampf in seine „heiße Phase“ eintritt.

Fed-Chefin Janet Yellen und ihre Kollegen möchten sicherlich den Eindruck vermeiden, die Wahl mit ihren Maßnahmen beeinflussen zu wollen. Nach einer möglichen Zinsanhebung in Juni dürfte die Fed dann zu ihrem vorsichtigen Grundtenor zurückkehren. Damit möchte sie sowohl einen nachhaltigen Anstieg der Kapitalmarkrenditen als auch des US-Dollars verhindern.

 

EZB weiter auf dem Gaspedal

Diesseits des Atlantiks sind Leitzinserhöhungen kein Thema, im Gegenteil, die Investoren erwarten von der Europäischen Zentralbank (EZB) eher noch eine weitere Lockerung der Geldpolitik. Nachdem der EZB-Rat im März einen umfassenden Maßnahmenkatalog beschlossen hatte, wird er auf kurze Sicht wohl eine abwartende Haltung einnehmen, da viele dieser Maßnahmen noch gar nicht umgesetzt sind. Eine weitere Senkung des Einlagensatzes ist zwar nicht auszuschließen, vor dem Hintergrund der schädigenden Wirkung auf den Bankensektor aber wenig wahrscheinlich.

Kleinere Anpassungen könnte die EZB dagegen am Anleihe-Kaufprogramm vornehmen. Wenn Ende des Jahres Diskussionen aufkommen, ob und wann die Anleihekäufe zurück-gefahren werden, dürfte sich EZB-Chef Mario Draghi sehr zurückhaltend zeigen. Gegen die verbindliche Ankündigung einer Beendigung des Kaufprogramms spricht vor allem die dann aller Voraussicht nach noch immer niedrige Inflation in der Eurozone.

Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen dürften auf Sicht von drei Monaten bei 0,25 Prozent verharren, da viele Unsicherheiten, wie ein möglicher Austritt Großbritanniens aus der EU und die schwierigen Verhandlungen mit Griechenland, eine Flucht in Qualität begünstigen. Mit der beginnenden Diskussion über eine mögliche Rückführung der Anleihekäufe könnten die zehnjährigen Bundrenditen auf Sicht von zwölf Monaten bis auf 0,75 Prozent steigen.

 

Keine klare Mehrheit für oder gegen Brexit

Die Befürworter und Gegner eines EU-Austritts Großbritanniens liefern sich weiterhin ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Für den Verbleib des Landes in der EU würden derzeit 42 Prozent der Wähler stimmen, zitierte die „Times“ jüngst aus einer Umfrage des Instituts YouGov für den Fernsehsender ITV. 40 Prozent würden sich demnach für den sogenannten Brexit entscheiden. Sechs Prozent der Befragten waren noch unentschlossen und 13 Prozent konnten nicht angeben, wie sie beim Referendum am 23. Juni letztlich stimmen würden. Vor rund einem Monat lag die Unterstützung für einen EU-Verbleib bei einer YouGov-Umfrage bei 39 Prozent. Damals wollten 38 Prozent mit Nein votieren.

 

Unternehmens-Berichtssaison voll im Gang

Auf Hochtouren läuft inzwischen die Berichtssaison zu den Firmen-Ergebnissen des zweiten Quartals. Bis dato haben 310 der S&P-500-Unternehmen über das Erstquartal berichtet, die Entwicklung der Umsätze und Gewinne fiel dabei etwas besser aus als erwartet. Mit einem Gewinneinbruch von neun Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahresquartal (erwartet worden waren minus zehn Prozent) setzt „Corporate America“ jedoch die Serie der seit dem zweiten Quartal 2015 rückläufigen Unternehmensgewinne fort und erlitt im Auftaktquartal den größten Ergebniseinbruch seit der Rezession in den USA im Jahr 2008/09.

Da trotz der schlechten Ergebnisse die Kurse anstiegen, hat sich die Bewertung des US-Aktienmarktes deutlich erhöht. So notiert inzwischen das zyklenadjustierte Shiller-KGV wieder bei 26,3. Es liegt damit leicht unter dem bisherigen Zyklushoch aus dem Jahr 2014 (28,0), aber wieder um 57 Prozent über dem langfristigen Durchschnitt. Andere Bewertungsindikatoren signalisieren gleichfalls eine deutliche Überbewertung. Auch wenn sich die Kurserholung noch fortsetzen kann, fehlt dem US-Aktienmarkt aufgrund des schwächeren globalen Wachstums auf mittlere Sicht die Fantasie.

 

Ölpreisrückgang in Europas Firmenbilanzen sichtbar

In Europa hat bei den Euro Stoxx 50-Unternehmen zwischenzeitlich die zweite Hälfte der Berichtssaison begonnen. Nach Vorlage von 28 Unternehmensberichten zeigt sich ebenfalls eine negative Entwicklung. Zwar fielen die Gewinne gegenüber den Erwartungen etwas besser aus (plus drei Prozent), dafür enttäuschten die gemeldeten Unternehmensumsätze (minus sieben Prozent). Man kann davon ausgehen, dass der Sinkflug bei den Gewinnschätzungen für das laufende Geschäftsjahr zunächst noch einige Wochen anhalten wird, bevor es zu einer Bodenbildung kommt. Maßgebend hierfür sind die Nachwirkungen des gefallenen Rohölpreises im Energiebereich sowie die branchenspezifischen Baustellen in Sektoren wie den Versorgern, Banken und Finanzdienstleistern.

 

Was die neue Woche bringt

Bei den Konjunkturdaten stehen diese Woche vor allem die amerikanischen Verbraucher im Mittelpunkt des Anlegerinteresses. Nachdem der private Konsum im ersten Quartal eher enttäuschend ausfiel, werden besonders die Einzelhandelsumsätze (Freitag) und das Verbrauchervertrauen der Universität Michigan (Freitag) stärkere Beachtung finden. Für die Einzelhandelsdaten April rechnen Analysten mit einem deutlichen Plus, da insbesondere der PKW-Absatz zuletzt stark gestiegen ist. Im Monatsabstand dürften die Umsätze des Einzelhandels um 1,2 Prozent zugelegt haben. Zwar basiert der Anstieg zum Teil auf höheren Kraftstoffpreisen, dennoch dürfte real ein solider Anstieg von 0,4 Prozent übrig bleiben. Der Datenkalender schließt am Freitag mit der vorläufigen Schätzung zum Verbrauchervertrauen der Universität Michigan für Mai. Die höheren Kraftstoffpreise sowie die zuletzt durchwachsende Entwicklung der Aktienmärkte dürften hier einen deutlichen Anstieg verhindert haben.

Für einige Länder der Eurozone wird in den nächsten Tagen die erste Schätzung für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal veröffentlicht. Anhand der vielen Indikationen (Schnellschätzung des BIP für die Eurozone und einige Euroländer, nationale Produktionsdaten) lassen sich noch ausstehende relevante Ergebnisse gut abschätzen. Während die deutsche Wirtschaft mit 0,7 Prozent gegenüber dem Schlussquartal 2015 mit viel Schwung ins Jahr 2016 gestartet sein dürfte, wird für Italien mit 0,2 Prozent – also mit einem nur verhaltenen Zuwachs der Wirtschaftsleistung in den ersten drei Monaten dieses Jahres kalkuliert. Mit dem Sentix Index steht außerdem der erste Konjunkturindikator für die Eurozone im Monat Mai an. Wahrscheinlich ist ein kleiner Anstieg, der primär von einer Aufhellung der Geschäftserwartungen getragen sein sollte.

 

Die wichtigsten Konjunkturdaten der neuen Woche

 MonatPrognoseLetzter
Montag, 9.5.2016
Auftragseingang Deutschland (% zum Vormonat)März0.7-1.2
Sentix Investorenvertrauen Euroland (Punkte)Mai6.25.7
Dienstag, 10.5.2016
Verbraucherpreise China (% zum Vorjahr)April2.32.3
Industrieproduktion Deutschland (% zum Vorm.)März-0.2-0.5
Mittwoch, 11.5.2016
keine wichtigen Daten
Donnerstag, 12.5.2016
Industrieproduktion Euroland (% zum Vormonat)März0-0.8
Freitag, 13.5.2016
BIP Deutschland (% zum Vorquartal)Q10.70.3
BIP Italien (% zum Vorquartal)Q10.20.1
Einzelhandelsumsatz USA (% zum Vormonat)April1.2-0.3
Uni Michigan Konsumklima (Punkte)Mai 89.989
Ist dieser Artikel hilfreich?
Vote DownVote Up +38
Loading...