Finanzmarktkolumne – Ölpreis und Euro helfen Aktienmarkt auf die Beine

30. Mai 2016

 

Hatten sich die Börsen im Mai lange verhalten entwickelt, kam es vergangene Woche zu kräftigen Kursgewinnen. Insbesondere die europäischen Aktienmärkte konnten stattliche Zuwächse verbuchen. Der DAX durchbrach seine seit Anfang des Monats bestehende Handelsspanne nach oben und stieg bis auf knapp 10.300 Punkte. Gleichzeitig ging der Volatilitätsindex VDAX-NEW, der als Unsicherheitsindikator interpretiert werden kann, spürbar zurück und fiel erstmals seit Oktober 2015 unter die Marke von 20 Punkten.

Es war eine Mischung aus mehreren Faktoren, die zu der positiven Entwicklung beigetragen hat. Zum einen stimmte der gestiegene Ölpreis, der zuletzt kurz die Marke von 50 Dollar je Barrel übertroffen hatte, die Anleger positiv. Zum anderen half in Europa sicherlich der gegenüber dem US-Dollar schwächelnde Euro, der vor allem Exportunternehmen zugutekam. Zudem dämpften die Verabschiedung der neuen Sparpakete durch das griechische Parlament und die Freigabe weiterer Hilfskredite an Griechenland die Angst vor einer erneuten Hängepartie. Gut aufgenommen wurden auch teils positiv überraschende Konjunkturdaten. Und schließlich scheint die Zuversicht auf ein „Stay“-Votum der Briten beim Brexit-Referendum am 23. Juni zuzunehmen.

 

US-Konjunkturperspektiven wichtiger als Zinsängste

Dagegen hat sich bei einem für die Aktienmärkte ebenfalls wichtigen Thema, der möglicherweise bald anstehenden Leitzinsanhebung in den USA, keine wesentliche Veränderung ergeben. Nachdem in jüngerer Zeit die hawkishen Fed-Minutes die Zinserwartungen an den Märkten bereits deutlich angehoben hatten, sorgten aktuelle Äußerungen führender Fed-Vertreter für anhaltende Zinsängste. Die in letzter Zeit getätigten Kommentare haben einen Zinsschritt zumindest wahrscheinlicher werden lassen. Offensichtlich ist den meisten Investoren aber klar, dass die – durchaus passablen –  konjunkturellen Perspektiven der US-Wirtschaft wichtiger sind als der Zeitpunkt der nächsten (ohnehin minimalen) Zinserhöhung durch die Fed.

Die in der vergangenen Woche veröffentlichten Konjunkturindikatoren fielen zwar durchwachsen aus, letzten Endes setzten sich jedoch an der Börse die freundlichen Impulse durch. Leicht schwächer fielen die Einkaufsmanagerindizes (PMI) für den Euro-Raum aus, was primär an einer überraschenden Abschwächung in der Euro-Peripherie lag. Der Manufacturing-PMI ging von 51,7 auf 51,5 Punkte zurück, wodurch auch der Composite-PMI mit 52,9 Zählern unter den Erwartungen der Analysten (53,2) blieb.

Schwach war auch der Manufacturing-PMI für die USA, der von 50,8 auf 50,5 Punkte fiel (Konsens-Erwartung: 51,0) und damit den niedrigsten Stand seit Oktober 2009 erreichte. In Japan enttäuschte der Manufacturing-PMI mit einem Rückgang von 48,2 auf 47,6 Punkte ebenfalls. Somit lassen die Einkaufsmanagerindizes weiterhin keine Dynamisierung der Weltkonjunktur erkennen.

 

Ifo-Geschäftsklima überrascht positiv

Die Frühindikatoren präsentierten sich aber keineswegs nur enttäuschend. In Deutschland konnte der ZEW-Index der Konjunkturerwartungen seine Erholungsbewegung der beiden Vormonate zwar nicht fortsetzen und ging von 11,2 auf 6,4 Punkte zurück (Konsens: 12,0). Allerdings verbesserte sich die aktuelle Konjunktureinschätzung auf hohem Niveau. Das ifo-Geschäftsklima für die deutsche Wirtschaft legte dagegen im Mai um einen Zähler auf 107,7 Punkte zu. Damit wurde der bislang höchste Stand in diesem Jahr erreicht, wobei sowohl die aktuelle Lageeinschätzung als auch die Geschäftserwartungen stärker als erwartet stiegen und damit positiv überraschten. Letztere verbesserten sich zum dritten Mal in Folge auf 101,6 Punkte von 100,5 im April.

Bemerkenswert ist, dass sich die Stimmung in allen Sektoren, die in die Berechnung des ifo-Geschäftsklimas eingehen, verbessert hat. Am stärksten war dies im Bauhauptgewerbe und im Groß- und Einzelhandel der Fall. Doch auch im konjunkturell bedeutsamen Verarbeitenden Gewerbe, insbesondere bei Investitionsgüterherstellern, war eine Aufwärtsbewegung zu konstatieren. Hier spielen zweifellos die zuletzt wieder aufgehellten Aussichten auf wichtigen Absatzmärkten, etwa in den USA und in China, eine Rolle.

 

Zeichen stehen weiter auf Aufschwung

Das ifo-Geschäftsklima signalisiert, dass die Zeichen hier zu Lande weiter auf Aufschwung stehen. Die Konjunkturängste vom Jahresbeginn scheinen sich als überzogen zu erweisen und das anstehende Brexit-Referendum bereitet den Unternehmen in Deutschland offenbar kaum Sorgen. Positiv ist auch, dass sich die Stimmung in der Bauwirtschaft nach dem witterungsbedingt guten ersten Quartal nicht verschlechtert hat. Das liegt daran, dass der Auftragsbestand trotz der zeitlich früheren Abarbeitung von Aufträgen nicht gesunken ist. Die Kapazitäten dürften daher ausgelastet bleiben und der witterungsbedingte Rückpralleffekt nach dem starken ersten Quartal unter diesen Bedingungen nur relativ moderat ausfallen.

Insgesamt stützen die jüngsten Indikatoren die Erwartung, dass von Konjunkturseite weitgehend neutrale Impulse auf die Aktienbewertungen und damit auf die Kurse ausgehen. Kurzfristig positiv ist, dass sich das Momentum der Konjunkturüberraschungen – gemessen an den Prognosen der Analysten – sowohl in den USA als auch in Europa zuletzt verbessert hat.

Von den Unternehmen sind aktuell keine positiven Effekte für die Aktienmärkte mehr zu erwarten, da die Berichtssaison ihrem Ende entgegen geht. Zwar ist es in den USA und in Europa wieder einer Mehrheit der Firmen gelungen, die (im Vorfeld freilich abgesenkten) Erwartungen zu übertreffen. Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Dynamik auf der Gewinn- und Umsatzseite gering war. Daher verwundert es nicht, dass die Anleger in Bezug auf die Gewinnentwicklung im Gesamtjahr 2016 weiter skeptisch sind. Hier wird auf globaler Ebene weiterhin nur eine Stagnation erwartet.

 

EZB bleibt im Lockerungsmodus

Diese Woche dürften die Börsianer mit Spannung Richtung Frankfurt blicken, wo am Donnerstag, den 2. Juni, die Sitzung des EZB-Rats stattfindet. Zwar werden die Notenbanker um EZB-Chef Mario Draghi keine Änderungen der Geldpolitik beschließen. Allerdings dürften sie die Botschaft wiederholen, dass die EZB noch Spielraum und Instrumente für weitere Lockerungsmaßnahmen besitzt. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass die aus Sicht der Zentralbank zu niedrigen Inflationsraten schon bald deutlich anziehen, ist gering.

Nach der jüngsten Einigung der Eurogruppe auf die Auszahlung weiterer Kredittranchen an Griechenland wird sicherlich auch der Umgang der EZB mit diesem Thema im Fokus der Sitzung stehen. Der EZB-Rat könnte beschließen, die Sonderregelung zur Annahme griechischer Anleihen bei EZB-Tendergeschäften wieder einzusetzen. Dies würde die griechischen Banken auf Seiten der Refinanzierungskosten deutlich entlasten und wäre ein wichtiger Schritt in Richtung einer möglichen Rückkehr des Mittelmeerstaates an den Kapitalmarkt.

 

US-Arbeitsmarktbericht und VW im Fokus

In der neuen Woche werden aber auch einige wichtige Konjunkturdaten veröffentlicht, etwa die ISM-Indizes für das Verarbeitende Gewerbe (Mittwoch) und den Dienstleistungssektor (Freitag) für die USA. Bei beiden rechnet der Markt mit leichten Rückgängen gegenüber dem Vormonat. Mit Spannung erwartet wird darüber hinaus der US-Arbeitsmarktbericht von Mai (Freitag). Volkswirte gehen von einem Anstieg der Beschäftigung um 160.000 Stellen aus, was genau dem Vormonatswert entspricht. Die US-Konsumausgaben (Dienstag) und den Fed-Konjunkturbericht „Beige Book“ (Mittwoch) werden Investoren ebenfalls auf mögliche Auswirkungen auf die US-Geldpolitik abklopfen.

Bei den Unternehmen richten sich alle Augen auf Volkswagen. Der Autobauer legt am Dienstag seine Ergebnisse für das erste Quartal vor. Anleger werden in erster Linie auf die Höhe der Rückstellungen im Zusammenhang mit der Affäre um manipulierte Abgastests achten. Eine offene Frage ist auch, ob die Wolfsburger ihre Fahrzeuge mit hohen Rabatten an den Mann bringen müssen und dadurch die Gewinnmarge unter Druck gerät. Aktuelle Zahlen zu Neuzulassungen im Mai aus den USA (Mittwoch) und Deutschland (Donnerstag) werden Hinweise darauf geben, ob VW weitere Marktanteile verloren hat.

 

Die wichtigsten Konjunkturdaten im Überblick

 MonatPrognoseLetzter
Montag, 30.5.2016
Einzelhandelsumsatz Deutschland (% zum Vorm.)April0.9-1.4
Verbraucherpreise Deutschland (% zum Vorjahr)Mai0.1-0.1
Konsumklima Euroland (Punkte)Mai-7-7
Industrievertrauen Euroland (Punkte)Mai-3.6-3.7
Dienstag, 31.5.2016
Arbeitslosenrate Deutschland (%)Mai6.26.2
Arbeitslosenrate Euroland (%)April10.210.2
Verbraucherpreise Euroland (% zum Vorjahr)Mai-0.1-0.2
Private Einkommen USA (% zum Vormonat)April0.40.4
Konsumausgaben USA (% zum Vormonat)April0.60.1
Conference Board Konsumklima USA (Punkte)Mai9694.2
Mittwoch, 1.6.2016
PMI Verarb. Gewerbe China (Punkte)Mai5050.1
ISM-Index Verarb. Gewerbe USA (Punkte)Mai50.550.8
Donnerstag, 2.6.2016
EZB-Zinsentscheid (%)Juni00
Freitag, 3.6.2016
Beschäftigte USA (Tsd. zum Vormonat)Mai160160
Arbeitslosenrate USA (%)Mai4.95
ISM-Index Dienstleistungen USA (Punkte)Mai55.355.7
Handelsbilanz USA (Mrd. US-$)April-41.9-40.4
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