Flüchtlinge – Lösungsansätze gegen den Wohnraummangel

8. Juli 2016

 

Kein Tag vergeht derzeit ohne Nachrichten rund um das Thema Flüchtlinge. Doch was bedeuten diese Nachrichten eigentlich für den deutschen Wohnungsmarkt und welche Lösungsansätze sehen Immobilienexperten für die zu erwartende höhere Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum? Nach Schätzungen des Maklerhauses Aengevelt sind aufgrund des Zustroms von Neuankömmlingen in den kommenden fünf Jahren rund 100.000 zusätzliche Wohneinheiten jährlich erforderlich. Die Research-Abteilung des Düsseldorfer Unternehmens beruft sich bei seinen Schätzungen unter anderem auf Prognosen von Zuwanderungsexperten, die bis 2024 mit rund 2,4 Millionen Flüchtlingen kalkulieren.

 

Wohnungsbau ankurbeln

Für das Verbändebündnis „Sozialer Wohnungsbau“ ist die Marschrichtung klar: Neuer Wohnraum muss dringend her, dies soll über verschiedene Anreizmechanismen wie zum Beispiel erhöhte Abschreibungsmöglichkeiten für Vermieter erreicht werden. Mit seinen Forderungen beruft sich das Verbändebündnis auf die von ihm in Auftrag gegebene Studie des Eduard Pestel-Instituts in Hannover. Darin wird der Bedarf an neuen Wohnungen wegen der vielen Neuankömmlinge in den kommenden fünf Jahren auf rund 400.000 Einheiten – pro Jahr – geschätzt. Damit müssten bis 2020 jährlich rund 140.000 Wohneinheiten mehr als bisher errichtet werden, davon 80.000 Sozialwohnungen und 60.000 Wohneinheiten im bezahlbaren Wohnungsbau. Besonders in den Großstädten, Ballungszentren und Universitätsstädten fehlten diese Wohnungen.

 

Leerstand für Flüchtlinge nutzen

Das Empirica-Institut schlägt in seinem „Empirica Paper Nr. 228“ einen anderen Lösungsansatz vor: Dieser zielt darauf ab, Flüchtlinge in leerstehenden Gebäuden unterzubringen. Die Problematik besteht laut Empirica darin, dass schwer vorhersehbar sei, wie viele der Neuankömmlinge mittel- bis langfristig bleiben werden, wie sich ihre Einkommenssituation entwickelt und wohin sie innerhalb Deutschlands ziehen werden. Ohne gezielte Anreize ist dem Institut zufolge davon auszugehen, dass die Flüchtlinge den allgemeinen Trends der Binnenwanderung folgen und sie bevorzugt in die Städte ziehen, deren Wohnungsmarkt bereits jetzt angespannt und überteuert ist.

Gleichzeitig stünden laut Zensus 2011 bundesweit rund 1,7 Millionen Wohnungen leer, davon 1,1 Millionen allein in Westdeutschland. „Durch die Flüchtlinge ergibt sich nun die einmalige Chance, die Leerstände in den Schrumpfungsregionen wieder mit Leben zu füllen“, urteilen die Autoren der Studie. Den Einwand, dass die Einwohner aus vielen Regionen nicht grundlos abwandern, lassen die Forscher nicht gelten: In den ländlichen Räumen seien zum Teil sogar überproportional viele Arbeitsplätze entstanden. In Ostdeutschland träten vielfach wegen der Abwanderung erste Fachkräftemängel auf, etwa im medizinischen Bereich.

Durch gezielte Anreize könnte Flüchtlinge das Leben in diesen Regionen schmackhaft gemacht werden. Es sei preiswerter und zeitsparender, bestehenden Wohnraum zu revitalisieren, als neuen auf knappem und teurem Bauland zu errichten, so die Überlegungen des Empirica-Instituts. Anreize für die Flüchtligen könnten beispielsweise über eine so genannte Fast Track-Regelung erreicht werden: Wer eine Schlüsselqualifikation habe – etwa als Arzt oder Krankenschwester – könne eine sofortige Arbeitserlaubnis, einen drei- bis sechsmonatigen Sprachkurs sowie sofort eine Wohnung in diesen Regionen erhalten.

Insbesondere für Familien sieht das Institut gute Chancen, sich über die Kinder schnell im überschaubaren Dorf- oder Kleinstadtleben zu integrieren. Neben den Vorteilen über eine erleichterte Integration der Neuankömmlinge sieht das Institut in seinem Vorschlag vor allem im Faktor Zeit den Vorteil: „Selbst bei zügiger Planung und Genehmigung vergehen schnell zwei oder drei Jahre bis zur Fertigstellung einer soliden Wohnung. Diese Zeit haben wir nicht. Container, Zeltstädte und andere einfache Wohnkonstruktionen sind kurzfristig unumgänglich. Schnell aber werden richtige Wohnungen benötigt.“

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