Marktbericht – Französische Wochen: Anleger sind alarmiert

Bulle und Bär, Marktbericht
18. April 2017

Investoren blicken nach Paris. Die jüngsten Prognosen beunruhigen. Eine Stichwahl zwischen links- oder rechtsextrem ist nicht ausgeschlossen. Die Märkte dürften dann kräftig korrigieren.

Am 23. April und 7. Mai entscheiden die Franzosen, wer ihr nächster Präsident sein soll. Bislang gingen die Prognosen von einer Stichwahl zwischen dem bekennenden Pro-Europäer Emmanuel Macron und der Front-National-Chefin Marine Le Pen aus. Ein Sieg des Gründers der Bewegung „En Marche“ sollte die zunehmend nervöser werdenden Marktteilnehmer nicht nur in Frankreich, sondern auch in der restlichen Eurozone wieder beruhigen beziehungsweise zum Kauf motivieren. Sicher aber ist das nicht. Rebecca Chessworth will einen Sieg von Le Pen nicht ausschließen. „Fakt ist, sie kann gewinnen“, sagt die Aktienstrategien der Investmentgesellschaft State Street Global Advisors. Europas Aktienmärkte und der Euro drohen dann aber kräftig an Wert einzubüßen.

Auch Bobby Vedral, Marktstrategie bei Goldman Sachs, hält einen Sieg Le Pens nicht für unwahrscheinlich. Sollte ihr die Mobilisation von 85 Prozent ihrer Unterstützer gelingen und bringt Macron nur 75 Prozent seiner Wähler an die Urne, ziehe Le Pen in den Élysée-Palast ein, folgert Vedral.

Staatsgläubige Konzepte

In den Umfragen hat zuletzt auch der Kandidat der Bewegung „La France Insoumise“ (das nicht unterworfene Frankreich) Jean-Luc Mélenchon kräftig zugelegt. Eine Stichwahl zwischen dem Linkspopulisten und Le Pen dürfte ebenfalls heftige Korrekturen auslösen. Beide Kandidaten sind EU-kritisch, lehnen Sparprogramme ab, fordern Souveränität von Brüssel zurück beziehungsweise wollen EU-Abkommen neu verhandeln sowie Freihandelsverträge aufkündigen. Keiner der beiden Kandidaten ist bereit, die für Frankreichs Wirtschaft so notwendigen marktwirtschaftlichen Reformen anzupacken.

Fraglich, ob die derzeit schon mit vielen Krisen konfrontierte EU einer neuen, schweren Belastung standhalten kann oder ob der Sieg eines extremen Kandidaten in Frankreich der Anfang ihres Endes ist.

Doch wie sollen sich Anleger angesichts der bis 7. Mai und möglicherweise darüberhinaus bestehenden politischen Risiken positionieren? Expertin Chessworth rät zu defensiven und schwankungsarmen Branchen wie Versorgern.

Als sichere Häfen dürften auch der Dollar, der japanische Yen und Gold gesucht sein. Ebenso sollte die Nachfrage nach absolut risikofreien deutschen Staatsanleihen anziehen. Die zehnjährige Bundesanleihe notierte Ende vergangener Woche bei 0,19 Prozent, der Renditeabstand zum entsprechenden französischen Papier betrug 75 Basispunkte. Sollte links- oder rechtsextrem in Frankreich gewinnen, dürfte der Abstand noch weiter auseinander gehen.

Kein energischer Reformator

Doch was ist, wenn Macron, der Kandidat der Märkte gewinnt? Eine Erleichterungsrally ist möglich, doch vor allzu großer Euphorie sei dennoch gewarnt. Auch wenn er ein neues Frankreich fordert und sein Land fit machen will für das 21. Jahrhundert: Macron kann nur behutsam reformieren, die Bereitschaft der Franzosen zur Aufgabe sozialer Errungenschaften ist nur gering ausgeprägt.

Mehr Mut zu unpopulären, aber notwendigen Maßnahmen zeigt dagegen Argentiniens Staatspräsident. Maurico Macri hat den staatsgläubigen Kurs seiner Vorgänger im Amt beendet. Um den hoch defizitären Haushalt zu entlasten,  entließ er unter anderem Staatsbeamte und kürzte massiv Subventionen. Bei den Investoren kommt das gut an. Innerhalb eines Jahres legten die Kurse in Buenos Aires, dem Paris Lateinamerikas, über 50 Prozent zu. Kurssteigerungen in dieser Größenordnung sind an Frankreichs Börse wohl nicht zu erwarten.

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