Marktbericht: Trump – Vom Börsenstar zum Kursrisiko

Bulle und Bär, Marktbericht
22. Mai 2017

Der US-Präsident treibt mal wieder die Märkte. Doch diesmal in die falsche Richtung. Die Sorge vor einer Amtsenthebung drückt die Notierungen.

Den Wahlsieg Donald Trumps feierten die Anleger zunächst euphorisch: Dank der republikanischen Mehrheit im Kongress werde der US-Präsident seine Steuersenkungspläne zügig auf den Weg bringen und so die Rahmenbedingungen für steigende Unternehmensgewinne und weiter anziehende Aktienkurse schaffen. Nach nur vier Monaten im Amt spielt die Investmentwelt ein den ursprünglichen Erwartungen diametral entgegen gesetztes Szenario durch: Wie werden die Märkte auf ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump reagieren?

Völlig unwahrscheinlich ist ein Impeachment nicht: „Wir wissen, er bricht jeden Tag das Gesetz“, sagt etwa die Senatorin Kaliforniens, Dianne Feinstein. Sie glaubt nicht, dass Trump sich noch lange halten kann. Das US-Justizministerium hat inzwischen einen Sonderstaatsanwalt eingesetzt, der mögliche Verbindungen zwischen Trumps Wahlkampfteam und Russlands Regierung untersuchen soll. Zudem besteht der Verdacht, Trump habe den mittlerweile zurückgetretenen FBI-Chef James Comey gebeten, die Ermittlungen gegen seinen ebenfalls des Postens enthobenen Sicherheitsberater Micheal Flynn einzustellen. Dies würde den Tatbestand der Justizbehinderung erfüllen.

In Reaktion auf die jüngsten Entwicklungen in Washington gaben die Notierungen an der Wall Street, aber auch in Europa und in Asien deutlich nach. Der DAX verlor vergangenen Mittwoch 1,8 Prozent, es war der höchste Tagesverlust seit September. Ist das nur ein kleiner Vorgeschmack auf das was droht, wenn Trump den Posten des mächtigsten Mannes der Welt tatsächlich räumen muss? Oder besteht zu Panik kein Anlass?

Neue Rally mit Pence

Der US-Investor Jim Cramer erwartet keine dramatischen Verwerfungen. Im Gegenteil: Trumps Ausscheiden aus dem Amt  könnte die Märkte sogar beflügeln, glaubt Cramer. Der aktuelle Vizepräsident Mike Pence würde dann das Ruder übernehmen. Dieser verfolge die gleichen wirtschaftspolitischen Ziele wie Trump. Politikprofi Pence sei jedoch wesentlich qualifizierter, die dafür notwendigen Mehrheiten zu finden, begründet Cramer seine Prognose.

Jeremy Siegel, Professor an der Wharton School of Business, ist der gleichen Meinung. Er traut dem Dow Jones Index einen Anstieg um 1000 Punkte zu, sollte Trump entweder freiwillig oder gezwungenermaßen das Handtuch werfen.

Es fehlt aber auch nicht an warnenden Stimmen: „Im Falle eines Impeachments werde ein Sturm über die Märkte hinwegziehen“, prophezeit etwa der frühere Chef des US-Konzerns General Electric.

Auch Ben Bernanke mahnt Investoren zur Vorsicht. Der ehemalige US-Notenbankchef  wirft gleichzeitig die Frage auf: Wie kann es sein, dass Anleger politische Risiken immer wieder ausblenden und erst im letzten Moment oder zu spät reagieren?  Eine Antwort bleibt er zwar schuldig. Als ernste Mahnung an Investoren,  politische Entwicklungen und handelnden Personen mehr Aufmerksamkeit als bislang zu widmen, lässt sich der  Einwurf dennoch verstehen.

Fiskalpolitische Impulse bleiben aus

Noch aber steht ein Amtsenthebungsverfahren Trumps nicht unmittelbar bevor. Ein Impeachment ist ein komplexes und langwieriges Verfahren. Um es erfolgreich abzuschließen, bedarf es einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat. Ob sie zustande kommt, ist fraglich. Klar aber ist: Trump wird in den kommenden Wochen wenig Zeit haben, sich um die US-Wirtschaft zu kümmern. Bleibt die von Investoren erhoffte fiskalpolitische Stimulierung aus, erhöht zudem die US-Notenbank wie vorgesehen die Zinsen, dann sind aber nur noch moderate Wachstumsraten jenseits des Atlantiks möglich.

Anleger sollten daher die Region Europa wieder höher gewichten. Neben dem Bewertungsabschlag europäischer Aktien gegenüber US-Titeln fallen die ökonomischen Perspektiven besser aus. Auch sind nach der Frankreich-Wahl die politischen Risiken vorerst einmal in den Hintergrund getreten. Aus den Augen verlieren sollten Investoren sie dennoch nicht. Der nächste heikle Punkt sind die Parlamentswahlen in Italien im kommenden Jahr. Im Gegensatz zu Frankreich, Spanien oder Griechenland wächst in Italien die Zahl der Bürger, die raus aus dem Euro wollen. Gewinnt die Partei Fünf-Sterne, sind an Europas Märkten anhaltende Talfahrten sehr wahrscheinlich.

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