Marktbericht – Anleger gewähren Vertrauensvorschuss

Bulle und Bär, Marktbericht
2. Mai 2017

In Frankreich und den USA zeichnen sich Steuersenkungen ab. Das motiviert Anleger zum Kauf. Die Nachhaltigkeit des Kursanstiegs hängt jedoch von der Umsetzung der Reformvorhaben ab.

Der Ausgang der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Frankreich lockte vergangene Woche Investoren nicht nur in Europas Hauptstädten, sondern auch in den USA und in Japan aus der Reserve. Die Sorge vor einer weiteren schweren Belastung der EU beziehungsweise einem Ende des Euro ist dank des guten Abschneidens des wirtschaftsfreundlichen und pro europäischen Kandidaten Emmanuel Macron deutlich geringer geworden. Da Frankreichs Sozialisten und Republikaner eine Wahlempfehlung für den 39 Jährigen Politiker ausgesprochen haben, dürfte Macron die zweite Runde am 7. Mai für sich entscheiden. Der Vorsitzenden des Front National, Marine Le Pen, werden 40 Prozent, Macron dagegen 60 Prozent der Stimmen zugetraut.

Der Stimmungswandel der Investoren von vorsichtig zu optimistisch trieb den DAX vergangene Woche auf ein neues Allzeithoch von 12.486 Punkten. Frankreichs Leitindex CAC40 erreichte sogar ein Neun-Jahres-Hoch. Bis zum 7. Mai und wohl noch darüber hinaus sollten die Kurse in Paris und in Frankfurt nach oben gehen. Die Investmentboutique sentix traut dem deutschen Leitindex in den kommenden Monaten einen Anstieg auf 14.000 Punkte zu.

Schwierige Umsetzung

Allerdings wird Macron noch erst beweisen müssen, dass der Vertrauensvorschuss, den ihm die Anleger derzeit einräumen, gerechtfertigt ist. Der Parteiunabhängige benötigt zur Umsetzung seiner Reformen Rückhalt in der Nationalversammlung. Die Parlamentswahlen finden im Juni statt. Macron muss dann einen Premierminister auswählen, der der Partei mit den meisten Sitzen angehört. Dies kann trotz der Schlappe bei den Präsidentschaftswahlen entweder ein Sozialist oder ein Republikaner sein. Vorstellbar ist eine Koalition aus Abgeordneten der von Macron gegründeten Bewegung „En Marche!“ und einer der traditionellen Parteien. Das würde Macron zu Kompromissen zwingen. Eine Verwässerung seiner Steuersenkungspläne für Unternehmen von 33 auf 25 Prozent ist daher nicht auszuschließen. Der aktuelle Macron-Hype dürfte dann aber einen Dämpfer erhalten.

Eurozone kommt in Schwung

Nicht nur die politische Entspannung in Europa motivierte Anleger vergangene Woche zum Kauf. Auch die jüngsten Konjunkturdaten stimmten optimistisch. Laut dem Analysehaus IHS Markit fällt der Aufschwung in der Eurozone so kräftig aus, wie seit sechs Jahren nicht mehr. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft – Industrie und Dienstleister zusammen – kletterte im April auf 56,7 Punkte. Das ist der beste Wert seit April 2011.

Sorge, dass die Europäische Zentralbank angesichts der  wirtschaftlichen Erholung von ihrer expansiven Geldpolitik abrückt, müssen Anleger sich derzeit nicht machen. EZB-Chef Draghi bekräftige vergangene Woche die Absicht, bis mindestens Ende des laufenden Jahres für monatlich 60 Milliarden Euro Staatspapiere und  Unternehmensanleihen aufzukaufen. Auch will er den Leitzins weiterhin bei null Prozent belassen. Die Kritik daran, zuletzt von Wirtschaftsminister Wolfgang Schäuble auf der IWF-Tagung geäußert, lässt Draghi ebenso so kalt wie ein Anstieg der Inflationsrate. Diesen beurteilt der EZB-Chef bislang noch als „wenig nachhaltig“.

Möglicherweise gerät aber auch Schäuble unter Druck. Anlass sind die jüngst von Donald Trump angekündigten radikalen Steuersenkungspläne. Der US-Präsident will den Steuersatz für Unternehmen von 35 Prozent auf 15 Prozent kürzen. Die deutsche Wirtschaft dürfte verstärkt fordern, ebenfalls den Steuersatz zu senken. Noch aber ist in Washington nichts passiert. Vor dem Hintergrund der schwachen 100-Tage-Bilanz und eines bislang noch nicht vorgelegten Gegenfinanzierungsplans fällt es schwer zu glauben, dass er seine Steuerpläne ohne Abstriche durch den Kongress bringen kann.

Ist dieser Artikel hilfreich?
Vote DownVote Up +4
Loading...