Marktbericht: Schritte Richtung Exit

Bulle und Bär, Marktbericht
6. Juni 2017

Der Juni steht im Zeichen der Notenbanken. Am 8. Juni  trifft sich das EZB-Direktorium in Estland. Erste Hinweise auf eine mögliche Straffung der Geldpolitik sind denkbar. Die US-Notenbank dürfte dagegen ganz konkret den Leitzins am 14. Juni anheben.

Aller Voraussicht nach wird US-Notenbankchefin Janet Yellen am 14. Juni den Leitzins zum dritten Mal innerhalb von sechs Monaten um 0,25 auf dann 1,00 bis 1,25 Prozentpunkte erhöhen – auch wenn die jüngsten Daten zum amerikanischen Arbeitsmarkt die Erwartungen nicht erfüllt haben. Im Mai sind deutlich weniger neue Jobs entstanden als zunächst gedacht. Andererseits ist die US-Arbeitslosenrate auf den niedrigsten Stand seit 16 Jahren gefallen. Ein konjunktureller Abschwung lässt sich daraus nicht zwingend ablesen.

4,5 Billionen Dollar in den Büchern

Innerhalb der Fed mehren sich daher Stimmen, die sich für eine Normalisierung der Geldpolitik aussprechen. Jüngst machte sich Fed-Gouverneur Jerome Powell dafür stark. Der einflussreiche Notenbanker plädiert zudem für die allmähliche Reduzierung der Bilanzsumme der US-Notenbank. Im Rahmen der quantitativen Lockerung hatte die Fed Anleihen in Höhe von 4,5 Billionen Dollar erworben und in die Bücher genommen. In welcher Geschwindigkeit sie sich davon wieder trennen will, auch darüber erhoffen sich Investoren am 14.  Juni Aufklärung. Zu erwarten ist,  dass die US-Notenbank  – ähnlich wie zuvor beim Erwerb – die Höhe der jeweils zum Verkauf anstehender Zinspapiere den Investoren mitteilen wird.

Keine Blaupause

Wie die Aktienkurse darauf reagieren werden, lässt sich jedoch nur schwer prognostizieren. Zwar haben die Ankäufe die Kurse regelmäßig nach oben gezogen. Ob die Notierungen in Folge von „Quantitative Tapering“ sinken werden, ist jedoch nicht ausgemacht. Eine Blaupause gibt es dafür bislang nicht. Dennoch: Auf Korrekturen, von denen wohl auch die europäischen Märkte betroffen wären, sollten Anleger sich einstellen. So hat der US-Leitindex S&P 500 in den vergangen zwölf Monaten um fast 16 Prozent zugelegt und notiert aktuell auf Allzeithoch. Selbst die Fed erkennt angesichts eines durchschnittlichen Kurs-Gewinnverhältnisses von über 18 einen hohen Bewertungsdruck. Eine Zinserhöhung könnte als Signal zu Gewinnmitnahmen  von den Anlegern interpretiert werden.

Allerdings sind nicht alle Experten von einer konsequenten Zinswende jenseits des Atlantiks überzeugt. Nach Einschätzung von Anna Stupnytska wird es nach dem 14. Juni keine weitere Zinsanhebung bis Ende des Jahres mehr geben. Die Schwäche im US-Konsum werde immer offensichtlicher, schreibt die Volkswirtin bei der Investmentgesellschaft Fidelity in einem Kommentar. Stupnytska verweist auf die realen Lohneinbußen sowie die strengeren Kreditauflagen, die zum Beispiel den Kauf einer Immobilie weniger erschwinglich machten. Zudem geht die Expertin von einer nur langsam steigenden Inflation in den USA aus.

Warten auf Italiens Wähler

Bereits am 8. Juni trifft sich der Rat der Europäischen Zentralbank in Estlands Hauptstadt Tallin.  Experten erwarten, dass sie von ihrer lockeren Haltung abrücken wird – jedoch nur rhetorisch und das wohl nur in Andeutungen. Konkrete Hinweise zur Exit-Strategie erwarten Investoren frühestens im Herbst. Gut möglich, dass die Frankfurter Währungshüter dann eine Aufhebung der negativen Einlagensätze ankündigen werden. Unter Druck steht die EZB aber  nicht. Die um Energie- und Lebensmittelpreise bereinigte Kerninflation betrug im Mai lediglich 0,9 Prozent. Das ist weit unter dem angestrebten Ziel von knapp zwei Prozent. Und sicherlich wird die EZB wohl die sich andeutenden vorgezogenen Parlamentswahlen in Italien abwarten.

Ist dieser Artikel hilfreich?
Vote DownVote Up +4
Loading...