Girokonto: Warum das kostenlose Konto nicht immer die beste Wahl ist

1. März 2017

Negativzinsen, offene oder versteckte Gebühren für Kontoführung oder EC-Karte – viele Banken bitten gerade in den letzen Monaten ihre Kunden vermehrt zur Kasse. Doch das ist oft auch im Interesse des Kunden.

Wenn Banken ein Preismodell für ein Girokonto kalkulieren, haben sie ein paar Rahmenbedingungen und Stellschrauben: Fest stehen einerseits die Kosten, die ein Kunde jeden Monat verursacht und andererseits die Zinsen, die die Bank für das vom Kunden hinterlegte Geld im Geschäftsverkehr erhält. Dann ist da noch ein Faktor, den Banken unterschiedlich einschätzen: die Kundenbeziehung, also die Chance, dass der über das Konto gewonnene Kunde auch zum Berater kommt, wenn er einen Hauskredit braucht, Aktien oder Fonds kaufen möchte oder eine Renten- oder Lebensversicherung abschließen will.

Viele Banken müssen Kontomodelle neu kalkulieren

Doch wenn (wie in der aktuellen Marktsituation) die Guthabenzinsen in Richtung Negativzins tendieren und die Bank aus diesem Topf die Kosten nicht mehr bestreiten kann, dann muss sie umdenken. Ein Beispiel: Selbst Bundesanleihen, die vor rund 10 Jahren noch über 4 Prozent Rendite versprachen, erzielen heute gerade einmal 0,35 Prozent. Schlimmer noch: Zwischen Juni und Oktober vergangenen Jahres lag der Zinssatz sogar unter Null. Banken erhalten folglich für die Einlagen der Kunden nur noch minimale Renditen oder zahlen gar drauf.

Folglich müssen die Banken ihr Erlösmodell entsprechend anpassen. Einige Banken verlangen nun für das bisher kostenlose Konto Geld, andere für Zusatzleistungen wie die Verarbeitung von Papierüberweisungen oder für die Bearbeitung von Schecks. Und wieder andere Banken reduzieren die Zahl ihrer Filialen, Mitarbeiter und Geldautomaten oder sparen am Callcenter. Das ist oft der für den Kunden empfindlichere Einschnitt.

Der Kunde hat hier die Wahl: Will er für bestimmte Leistungen wie die Zusendung von Kontoauszügen extra zahlen oder kann er auch den Auszugsdrucker oder das PDF beim Online-Banking nutzen? Schecks und Überweisungen auf Papier benötigen viele Kunden beispielsweise gar nicht mehr, anderen ist wiederum die gute Bedienbarkeit eines Online-Banking-Portals weniger wichtig als die schnelle Erreichbarkeit des Beraters vor Ort.

Klar ist: Banken, die ein großes Netz an Filialen und Geldautomaten unterhalten, haben hierdurch hohe Kosten. Und gerade wer nicht in den Metropolen lebt, ist oft über das Vorhandensein der Filiale vor Ort froh. Umgekehrt wird bei der vermeintlich billigen Online-Bank auch nicht jeder Kunde glücklich. Ist diese nur über ein Callcenter erreichbar, kann das für den Kunden schnell teuer werden – entweder durch die Telefonkosten oder durch die vergeudete Zeit, während er in der Warteschleife hängt. Und ob der Callcenter-Mitarbeiter dann eine ebenso kompetente Beratung leisten kann wie der Kundenbetreuer vor Ort, der seine Kunden oft über Jahre kennt, ist die zweite Frage.

Denn Geschäftsbeziehungen zur Hausbank sind selbst in unserer schnelllebigen Zeit immer noch ein wichtiger Faktor, wenn man „seinen Bankangestellten“ anrufen kann, um unkompliziert nach einer individuellen Lösung  zu suchen. Gewerbetreibende und Freiberufler können ein Lied hiervon singen, wie wichtig diese Annehmlichkeit sein kann. Doch auch als Arbeitnehmer, Student oder Rentner wird man früher oder später mal in die Lage kommen, einen Ansprechpartner in Gelddingen zu benötigen.

Kunden sollten auf Servicequalität achten

Wenn nun für das Girokonto eine Preiserhöhung ansteht, sollte der Kunde das Gespräch mit seiner Bank suchen. Entweder, weil er mit deren Leistung bisher zufrieden ist – oder umgekehrt auch sagen, was ihn stört oder was er vermisst. Oftmals bieten Banken nämlich neben dem Standardkonto auch weitere Modelle, etwa wenn der Kunde auch sein Depot dort unterhält oder einen bestimmten monatlichen Mindesteingang hat. Tipp: Manchmal liegen solche Entscheidungen im Ermessen des Beraters.

Gut zu wissen aber auch: Wer sein Geldinstitut wechseln will, hat es seit Herbst vergangenem Jahres etwas leichter: Ein Kontenwechsel ist dank des neuen „Zahlungskontogesetzes“ nämlich einfacher geworden. So fordert zumeist die neue kontoführende Bank von der alten eine Liste der bestehenden Aufträge der vorangegangenen 13 Monate an. Die bisherige Bank muss innerhalb von fünf Geschäftstagen alle Daueraufträge, Lastschriften und eingehenden Überweisungen an den Wechselwilligen und seine neue Bank übermitteln. Innerhalb fünf weiterer Tage richtet die neue Bank das entsprechende Konto für den Kunden ein.

In der Praxis stellt sich allerdings die Frage, wie lange das neue, vermeintlich billigere Geldinstitut seinerseits das Gratiskonto beibehält und ob dessen Servicequalität mit der alten Bank mithalten kann. Denn selbst der Rundum-Sorglos-Service kostet monatlich gerade einmal den Gegenwert von ein, zwei Bier im Restaurant oder einer Schachtel Zigaretten. Und ein guter Rat des Kundenbetreuers, beispielsweise beim Abschluss einer Kreditvertrags oder beim Kauf eines Fonds zur Altersvorsorge, macht das wieder wett und erspart teure Fehlentscheidungen.

Fazit: Nie hatte der Kunde eine solche Auswahl wie heute. Er hat die Wahl zwischen einer Vielzahl an Banken mit Filialnetz und Direktbanken, kann einzelne Produkte wie einen Kredit übers Internet erhalten oder über ein Vergleichsportal die günstigste Versicherung finden. Oftmals fährt er aber besser, wenn er sich auf den Berater vor Ort verlässt, der ihn und seine Bedürfnisse kennt.

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